Die Innenminister der unionsgeführten Länder haben sich mit ihm in einer neun Seiten langen „Berliner Erklärung“ zur Sicherheits- und Integrationspolitik deshalb nur auf ein eingeschränktes Verbot der Verschleierung geeinigt. Und der Streit in der Union über ein Symbolthema wird weitergehen. Die Kernaussagen im Abschnitt III der Erklärung lauten: „Vollverschleierung beeinträchtigt den gesellschaftlichen Zusammenhalt.“ Sie stehe im Widerspruch zur Gleichberechtigung, sei ein Integrationshemmnis und widerspreche dem gesellschaftlichen Konsens. „Wir lehnen sie daher ab und fordern, dass alle Menschen ihr Gesicht zeigen. Jedenfalls in bestimmten Bereichen ist es für das Funktionieren unserer Rechtsordnung unverzichtbar, dieses auch rechtlich einzufordern.“
Bestimmte Bereiche sind Kitas, Schulen und Hochschulen, ebenso Gerichte, Pass- und Verkehrskontrollen oder Melde- und Standesämter. Das Zeigen des Gesichts müsse „durchgesetzt werden können“. Vollverschleierung sei überdies dann zu verbieten, wenn sie „eine Gefahr für andere wird. Dies gilt insbesondere im Straßenverkehr.“ Verstöße sollen als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.
Die Schleierdebatte wird die Union nun womöglich bis zum Parteitag im Dezember beschäftigen, und die Verwirrung über die Sicherheitsstrategie der CDU wachsen. Ursprünglich von der Mainzer Oppositionsführerin Julia Klöckner im September 2015 als Beitrag zur Integrationspolitik ins Spiel gebracht, wirkt das Vollverschleierungsverbot jetzt wie ein wichtiger Bestandteil der Terrorabwehr – und zugleich als Maßstab für westliche Liberalität. CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn hatte in der „Welt“ am 30. Juli bekannt, „burkaphob“ zu sein, und vor der „verklemmten“ Weltsicht muslimischer Männer gewarnt. Die Innenminister Henkel und Caffier, beide aktuell im Landtagswahlkampf mit eher betrüblichen Umfragezahlen konfrontiert, nahmen das Thema auf. NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) hielt dagegen, dann müsse man auch Karnevals- und Nikolauskostüme verbieten. Spahn konterte, die Burka stehe für Unterdrückung, der Nikolaus für Barmherzigkeit. Von dort war es nur ein kleiner Schritt zur Forderung der Innenminister, Integrationsverweigerung „bis hin zur Ausweisung zu ahnden“. De Maizière trägt den Satz mit – aber wer definiert eine gelungene Integration? Wer ahndet die Verweigerung? Das klingt nach aktionistischer Willkür. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte der „Welt“, die Beschlüsse seien „Populismus“. Ein Burkaverbot in Behörden sei für die Sicherheit „ungefähr so relevant, wie wenn Grüne ein Verbot für Dieselfahrzeuge auf dem Mars“ als Beitrag zum Klimawandel forderten.
Die CDU war einmal die Partei des Satzes, auch der Islam gehöre zu Deutschland. Wenn das eine Abirrung war, dann endet die CDU jetzt bei einer weiteren: ein bisschen Verbot statt ein bisschen Islam. Gesicht zeigen? Man erkennt das Gesicht der CDU-Politik nicht.