Mike Pence ist gerührt. Paul Ryan strahlt. Barack Obama tut entspannt.
Und Trump ist Trump. Lächelt, guckt danach wichtig, tätschelt Obama, der ihm gerade gratulierte, den Rücken und tätschelt sogar nochmal, sie wirken wie zwei Kumpel, für drei Sekunden jedenfalls.
Daneben John Roberts, der Chefrichter am Supreme Court, er schaut routiniert. Zum dritten Mal hat er gerade hier, auf dem Balkon im Westflügel des Kapitols, einem Präsidenten den Amtseid abgenommen, in den Jahren 2008 und 2012 absolvierte er die gleiche Pflicht bei Obama.
Als Donald Trump zusammen mit Roberts nach vorn gebeten wurde, an den Rand des Balkons mit Blick auf die National Mall, die gesäumt ist von Hunderttausenden Amerikanern, da hat Trump zum letzten Mal seinen Namen gehört mit dem umständlichen Titel „President-elect“. Jetzt ist er Präsident. Mr. President Donald John Trump. Obama behält den Titel ebenfalls, aber er ist kein Präsident mehr.
Machtwechsel in Amerika. Und Trump streichelt Obama nochmals, diesmal rhetorisch. Er und First Lady Michelle, jetzt schon: former First Lady, hätten großartig und freundlich beim Übergang geholfen. „Danke.“
Erst danach bekommt Obama sein Fett ab. „Eine kleine Gruppe in unserer Hauptstadt hat von der Regierung profitiert, während das Volk die Kosten zu tragen hatte.“ Wer kann das wohl anders gewesen sein als die bisherige Regierung?
Und, im Zweifel, der gesamte Kongress dazu, bestehend aus typischen „Politikern, nur Worte, keine Taten“, wiederholt Trump, der Präsident, eine Attacke, mit der schon Trump, der Wahlkämpfer, Beifall bei seinen Fans auszulösen verstand. „U-S-A“, wird dann skandiert, oder einfach „Trump, Trump, Trump.“
Der Tag der Inauguration, der laut Trump als Datum der Rückübertragung der Macht von Washington an das Volk, was immer das genau bedeuten mag, in die Geschichte eingehen soll, ist eine gigantische Party für die Trump-Fans.
„Ich liebe einen Immigranten“
Sie tragen stolz die roten Baseball-Caps. „Make America great again.“ Sie schwenken Stars and Stripes. Sie haben am 8. November eine Wahl gewonnen, bei der ihr Kandidat als völlig chancenlos gegolten hatte. Da darf man feiern.
Aber die Trump-Anhänger sind nicht allein, diesmal. Ganz nahe beim Kapitol, in der 3. Straße, Ecke East Capitol Street, findet nur eine Stunde nach der ersten Rede des nunmehr tatsächlichen Präsidenten Trump ein Die-in statt, so nennen die Demonstranten einen Protest in Form eines inszenierten Sterbens.
Offenbar wird hier ein Atomkrieg dargestellt, den Trump auslösen könnte. Gut hundert, vielleicht auch 200 Demonstranten haben sich versammelt, eine Rednerin warnte gerade noch vor einer „faschistischen Machtergreifung in den USA“, es gibt Plakate gegen „Rassismus“, gegen „Islamophobie“, eine junge Frau mit nettem Lächeln unter rotem Haar präsentiert ein selbstgemaltes Plakat: „Ich liebe einen Immigranten.“
Das „liebe“ wird natürlich durch ein Herz symbolisiert, und ob der Geliebte ein „illegaler Einwanderer“ ist, bleibt offen. Fragen geht auch nicht, denn in diesem Moment wird eine Sirene gestartet, Luftalarm, die vornehmlich jungen Demonstranten legen sich auf den Boden, einige Knien eher, es ist nasskalt an diesem Tag, wer Glück hat, kann einen Kopf auf die Beine eines neben ihm in die Horizontale gegangenen Protestlers legen.
„Das ist Business, verstehst du?“
Die einen hassen und fürchten Trump, die anderen lieben und hoffen auf ihn. Und dann sind da noch Leute wie Lionel Nelson, einer der unzähligen Straßenhändler an diesem Tag, der in der Nähe der F Street Kappen und T-Shirts und mit Schriftzug und Konterfei des 45. Präsidenten verkauft. Lionel ist Afroamerikaner. Aber ein Anhänger von Trump? „Nein“, sagt er und grinst.
„Das ist Business, verstehst du? Morgen bin ich auch hier, da verkaufe ich T-Shirts für Frauenrechte und so.“ Ja, morgen, da ist die große Frauendemonstration für die Hauptstadt angekündigt. Heute Geschäfte machen mit Trump-Anhängern, morgen mit seinen Gegnern. „Ist das so?“, fragt Lionel direkt erstaunt nach. „Ich glaube, die interessieren sich nicht für Politik. Die sind einfach nur für Frauenrechte.“