Die Reparatur des Segelschulschiffes „Gorch Fock“ geht mit einem Wort einher: Kostenexplosion. Deshalb will der Bundesrechnungshof sich den Fall jetzt genauer anschauen. Sachverständige wollen alles untersuchen, dazu gehört auch eine juristische Prüfung der Vergabeverfahren. Bei der Historie, die das Schiff in den vergangenen Jahren erlebt hat, scheint das auch notwendig.
Sanierung wird immer teurer
Anfang 2016 kommt das Segelschulschiff der Marine für geplante Instandsetzungsarbeiten in die Werft. Seit der Jahrtausendwende gehen diese Aufträge nach Niedersachsen an die Elsflether Werft, die jede Ausschreibung gewinnt – und das, obwohl teilweise bis zu vier weitere Werften sich um die Aufträge bemühen. Anfänglich sollen die Instandsetzungsarbeiten zehn Millionen Euro kosten. Doch das ändert sich schnell: Es werden massive Schäden an der Dreimastbark entdeckt. Das Verteidigungsministerium muss Anfang vergangenen Jahres die Kosten erstmals korrigieren: Die „Gorch Fock“ muss für 75 Millionen Euro von Grund auf saniert werden.
Wenn 75 Millionen Euro nicht ausreichen
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) gibt ein Statement zur ersten Kostenexplosion ab und vergleicht das Segelschulschiff mit einem alten sanierungsbedürftigen Haus: „Wir wollten erst Weniges reparieren, dann haben wir hinter die Planken geguckt und dann stellt man fest, dass sie grundsaniert werden muss. Bis auf den Kiel muss fast alles ersetzt werden.“ Vor rund einem halben Jahr war dann klar, dass auch diese Summe nicht ausreichen wird. Mittlerweile kostet die Sanierung bis zu 135 Millionen Euro. Ein Statement von der Verteidigungsministerin dazu gibt es nicht.
Trotz Generalüberholung neue Probleme
Alleine zwischen 2004 und 2013 sind bereits für Instandsetzungsarbeiten nach Angaben des zuständigen Bundesamtes für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) rund 40 Millionen Euro geflossen. Ein Großteil der Summe wurde für die Generalüberholung der „Gorch Fock“ im Jahr 2010 ausgegeben. Damals wurde unter anderem das Teak-Deck erneuert, das jetzt wieder neu gemacht werden muss, da das darunterliegende Stahldeck verrostet war und das Teak nicht zerstörungsfrei entfernt werden konnte. Für den Bund der Steuerzahler in Schleswig-Holstein nicht nachvollziehbar: „Uns ist es unverständlich, dass ein Schiff, das ja auch schiffstechnische Offiziere hat, quasi unter den Händen der Besatzung weggammelt“, erklärt Geschäftsführer Reiner Kersten.
Lochfraß im Rumpf blieb ohne Folgen
Schon kurz nach der Generalüberholung im Jahr 2010 gibt es erste Probleme. Rost hat den Rumpf des rund 89 Meter langen Segelschiffs an mehreren Stellen schwer beschädigt. Nicht isolierter Blei-Ballast hat den sogenannten Lochfraß ausgelöst. Es kommt zum Wassereinbruch, die „Gorch Fock“ muss im Jahr 2011 quasi in letzter Minute in die Lindenau Werft in Kiel geschleppt werden. Doch der Auftrag in Höhe von anfänglich einer Million Euro geht wieder an die Elsflether Werft. Aus der einen Million werden am Ende zwölf Millionen Euro.
Keine Schadenersatzforderung
Schadensersatzforderung wegen des Lochfraßes stellt die Marine nicht. In einer Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Grünen, die dem ARD Hauptstadtstudio und NDR 1 Welle Nord exklusiv vorliegt, geht hervor, dass keine Regressansprüche gestellt wurden. Darin heißt es, dass sämtliche durchgeführten Instandsetzungen und Mängelbeseitigungen grundsätzlich von Vertretern des öffentlichen Auftraggebers abgenommen werden. Und weiter: „In diesem Zusammenhang liegen keine Erkenntnisse dazu vor, dass im Jahr 2010 durch den Auftragnehmer Elsflether Werft AG mit unzureichender Qualität abgeliefert wurde, die sich bis heute zum gravierenden Mangel entwickelt haben.“
175 Millionen Euro Ausgaben seit 2004
Der Bund der Steuerzahler ist sauer: Bis heute ist also niemand für den Lochfraß oder das wegfaulende Teak-Deck verantwortlich gemacht worden, nie sind Regressforderungen gestellt worden, nie wurde ein Verantwortlicher eindeutig ermittelt. „Wir fordern dann immer, wenn Pfusch eindeutig ist, dass an dieser Stelle alle Hebel und Möglichkeiten in Bewegung gesetzt werden, damit das Geld im Sinne der Steuerzahler wieder eingetrieben wird“, sagte der Geschäftsführer des schleswig-holsteinischen Bundes der Steuerzahler, Rainer Kersten.
Seit dem Jahr 2004 kommen insgesamt 175 Millionen Euro zusammen, wenn man die Kosten für die Instandsetzungsarbeiten von 2004 bis 2013 in Höhe von 40 Millionen Euro und die jetzt fällig werdenden bis zu 135 Millionen Euro zusammenrechnet. Tobias Lindner, Bundestagsabgeordneter der Grünen, fragt sich zudem, warum bei den jetzigen Kosten so wenig ausgeschrieben wurde: „Das Ganze wirkte eher wie ein Denkmalschutz am Ende des Tages, als wirklich wie eine wirtschaftliche Sanierung eines Segelschulschiffs.“
Alternative Neubau
Immer wieder hat es auch Forderungen nach einem Neubau gegeben, womit sich auch das Verteidigungsministerium beschäftigt hat. Aus der Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Grünen wird klar, dass die Marine anfänglich mit Neubau-Kosten von 100 Millionen Euro rechnet. Ende vergangenen Jahres korrigiert eine Studie der Marinetechnik GmbH diesen Wert dann auf 170 Millionen Euro. Der Bund der Steuerzahler hält diese Summe allerdings für völlig überdimensioniert. „Andere Streitkräfte, die auch sehr gute Schulschiffe haben, haben in den letzten Jahren für viel niedrigere Summen neue Schulschiffe gebaut“, erklärt der Geschäftsführer des schleswig-holsteinischen Bund der Steuerzahler, Rainer Kersten.