Eher werde er als Olive wiedergeboren oder Elvis Presley werde lebend auf dem Mars entdeckt, als dass er Premierminister werde, hat Boris Johnson gesagt, als er Bürgermeister von London war und unbedingt Premierminister werden wollte.
Inzwischen avancierte er mit seiner erfolgreichen Schwindelkampagne namens „Leave“ zum meistgehassten Mann Großbritanniens. Zudem wurde er von seinem engsten Mitstreiter, Michael Gove, aus dem „Leave“-Bus geworfen – mit der Begründung, der Mann eigne sich von seinem Charakter her nicht für Führungsaufgaben. Schon hatte der vernunftbegabtere Teil der Inselbevölkerung Hoffnung, vielleicht wird es nun tatsächlich etwas mit der Olive oder dem Elvis auf dem Mars, weil Johnson in der Politik verspielt hatte. Premier ist er ja wirklich nicht geworden.
Das dachten jedenfalls jene des Fachs, das man landläufig in Europa unter Politik versteht. Doch die Personalie, eben diesen Boris Johnson zum Außenminister zu machen, zeigt, dass Großbritannien nun wirklich drauf und dran ist, sich aus Europa zu verabschieden. Die Ernennung wirkt wie eine Sensation, auf den ersten Blick sogar gaga. Aber ist sie das wirklich?
Johnson mag ein rücksichtsloser Rosstäuscher sein, einer, den man im Wilden Westen wenigstens einmal im Monat geteert und gefedert hätte. Aber in der konservativen Partei ist dieser immer ein wenig zerzaust und auf der Flucht wirkende Sprücheklopfer äußerst beliebt. Viele dieser cricketspielenden Möchtegern-Landadligen, die mit dicken Jacken abends noch den Hund unter tropfenden Bäumen ausführen müssen, hätten ihn gerne an einem wichtigen Drücker des Vereinigten Königreiches gesehen. Oh Dear, heute Abend kommt wieder nichts im Fernsehen, was macht eigentlich Boris?
Die Enttäuschung, dass Johnson von sich selbst, seinem besten Freund Gove und Rupert Murdoch abgesägt wurde, saß tief. Mit dem Manöver, ihn auf einen wichtigen Posten zu hieven, befriedet Premierministerin Theresa May (die den Brexit nie wollte) einen wichtigen Teil der Europafeinde in der eigenen Partei. Außerdem wird Johnson, der als Londoner Kosmopolit den Brexit nur als Spiel betrachtete, um sich wichtig zu machen (und ihn wahrscheinlich auch nie wirklich wollte), nun endlich in die Verantwortung genommen.
Der Prügelknabe
Johnson muss die Trümmer, die er vor 10 Downing Street ablud, nun selbst zuvorderst wegräumen. Er ist fürs Erste der Müllmann der Premierministerin und er haftet mit seinem Gesicht dafür, dass die Sache sauber vonstattengeht. Es ist ohne Frage einer der unangenehmeren Jobs, die die europäische Politik derzeit zu vergeben hat, den Johnson da angenommen hat: In Brüssel wird man ihn schätzen wie einen Schlangenölverkäufer. In der eigenen Heimat muss er die Versprechungen von der rosigen Zukunft nach dem Brexit umsetzen – wie immer das auch gehen soll.
„Brexit heißt Brexit“, hat May gesagt. Aber, was Brexit eigentlich wirklich heißt, weiß zurzeit kein Mensch – es ist in diesen Tagen völlig unklar, wie, wann und in welcher Form Großbritannien mit Europa verbunden bleiben wird. Investoren aber hassen nichts mehr als Ungewissheit. Jetzt, da die Zeit der Schmerzen beginnt, hat May den Verantwortlichen aus dem Gebüsch und zurück in die erste Reihe geholt. Keine Reinkarnation als Olive, aber als Prügelknabe immerhin.