Thomas Jäger Treffen sieben Jahre später : So sehr hat sich Obama in Erdogan getäuscht

Bei seinem Amtsantritt setzte US-Präsident Barack Obama auf die Türkei als Brücke zur islamischen Welt – und hofierte Erdogan. Sieben Jahre später will Obama den türkischen Präsidenten nicht einmal in Washington empfangen. Denn er hat sich in der Türkei getäuscht.

Im April 2009 unternahm der damals frisch ins Amt gekommene PräsidentBarack Obamaeine Europareise. Sie begannin London, wo er an einem G20-Gipfel teilnahm. Von dort flog er zum Jubiläumsgipfel der NATO, der in Baden-Baden begann und am nächsten Tag in Straßburg  fortgesetzt wurde. Er traf sich zu Gesprächen mit der Europäischen Union in dertschechischenHauptstadtPragund hielt anschließend eine Rede vor dem türkischen Parlament.

Die Türkei, seit Jahrzehnten ein enger Partner der USA in der NATO, wurde vom amerikanischen Präsidenten damals kräftig in ihrem Vorhaben unterstützt, Mitglied der Europäischen Union zu werden. Die USA würden einen EU-Beitritt der Türkei mit Nachdruck unterstützen, hatte er schon zuvor die EU-Regierungschefs wissen lassen.

Obama hebt „außerordentlich große Bedeutung“ der Türkei hervor

Präsident Obama hob dabei die „außerordentlich große Bedeutung“ der Türkei hervor, die eine „Brücke zwischen der islamischen Welt und dem Westen“ sei. Die Türkei sei nicht nur im Kampf gegen den islamistischen Terrorismus ein wichtiger Verbündeter, sondern werde auch für die zukünftige Entwicklung desIrakeine entscheidende Rolle spielen.

Der Irak stand damals im Mittelpunkt des amerikanischen Interesses. Den Kampf der Türkei gegen die kurdische PKK würden die USA unterstützen. „Terror ist nicht akzeptabel“, sagte der amerikanische Präsident. Gleichzeitig lobte er die demokratische Entwicklung der Türkei. Sie habe eine „starke säkulare Demokratie aufgebaut“. Er schrieb in das Gästebuch: „Ich freue mich darauf, die Beziehungen zwischen den USA und der Türkei zu stärken und Atatürks Vision der Türkei zu unterstützen.“

Angespannte Beziehungen

Damals waren die bilateralen Beziehungen zwischen den USA und der Türkei außerordentlich angespannt, weil das türkische Parlament im Irakkrieg verhindert hatte, dass die amerikanischen Streitkräfte über türkisches Territorium eine zweite Front eröffnen konnten. Auch wurde in Ankara nervös registriert, wie sich der Präsidentschaftskandidat Obama zur Armenienfrage äußerte, nämlich gar nicht im Sinne der offiziellen türkischen Position.

Zudem hatte sich das Verhältnis zwischen der Türkei undIsrael– nach ehemals enger sicherheitspolitischer Kooperation – im Zuge desGaza-Krieges derart verschlechtert, dass der Zorn gegen Israel nun auch auf die USA gelenkt wurde. Die Türkei sah sich auf dem Weg in eine Vormachtrolle im Mittleren Osten und benötigte deshalb ein wenig Distanz zu den USA, wenngleich sie auch deren Unterstützung erhofften.

Brücke zwischen Ost und West

„Die Türkei ist ein entscheidender Verbündeter der USA und ein wichtiger Teil Europas“, sagte Obama 2009 vor dem türkischen Parlament. Aus dieser Bindung heraus hoffte die amerikanische Administration,die Türkeials Brücke in die islamische Welt nutzen zu können. Denn eines der dringlichsten Ziele Obamas zu Beginn seiner Amtszeit war, die hochgespannten Beziehungen zu islamischen Staaten und Gesellschaften zu verbessern.

Das Image, das aus der Präsidentschaft George W. Bushs anhaftete, dass die USA im Kampf gegenden Islamstünden, musste aus Sicht der neuen Regierung rasch und grundlegend geändert werden. Immer wieder betonte der neue Präsident, dass die USA sich nicht im Krieg mit dem Islam befänden. Dazu musste auch das Image der USA in der türkischen Gesellschaft, das unter dem Irakkrieg dramatisch gelitten hatte, verbessert werden. Denn die Vormacht des Westens hatte in den Jahren der Präsidentschaft von George W. Bush in der Türkei alle Sympathien eingebüßt.

Nach sieben Jahren

Präsident Obama steht nun, sieben Jahre später, am Ende seiner Amtszeit. Verbesserte Beziehungen zur Türkei stehen nicht auf der Seite seiner positiven Errungenschaften. Dass er den in Washington weilenden türkischen Präsidenten, dessen Wunsch, Obama zu treffen, öffentlich berichtet wurde, nicht empfängt, dokumentiert dies. Vizepräsident Biden kommt diese Aufgabe zu. Hinter diesem öffentlich dokumentierten Abstand stehen zwei derzeit unüberwindbare politische Unterschiede.

Demokratische Defizite

Das Lob für die stabile demokratische Entwicklung in der Türkei kam 2009 angesichts der politischen Ausrichtung vonErdogansAKP voreilig. Vielleicht sollte es aber auch die EU-Ambitionen der Türkei unterstützen, deren Annäherung anEuropasodann die Demokratie hätte befördern helfen können. Doch diese positive Entwicklung setzte nicht ein.

Seit 2009 haben sich die demokratischen Defizite in der Türkei deutlicher gezeigt, die Einschränkungen in der Presse- und Versammlungsfreiheit sowie die Defizite bei der Repräsentation der unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen. Schon 2009 war bekannt, dass Erdogans Türkei nicht mit der Vision von Kemal Atatürk vereinbar war. Inzwischen ist er auf seinem Weg sehr weit gekommen – und hat sich damit vom damaligen Lob des amerikanischen Präsidenten ein gutes Stück entfernt.

Der Kampf in Syrien

Der zweite Graben zwischen beiden Ländern hängt damit zusammen, dass die syrischen Kurden für die USA sehr wichtige verbündete Kämpfer gegen den IS sind, während aus türkischer Sicht die Verbindungen zur PKK – und damit zu Terroristen – außer Frage stehen. Für die USA hat in den Wirren der Kriege im Mittelern Osten der Kampf gegen den IS Priorität; für die türkische Regierung hat der Kampf gegen sich politisch emanzipierende Kurden Vorrang.

In der Türkei kommen heute nicht, wie Obama 2009 orakelte Ost und West zusammen, sondern prallen harte politische Interessen aufeinander. Und führen zu soviel Gewalt nach innen und außen, dass sich der amerikanische Präsident nicht prominent mit dem türkischen Präsidenten zeigen will. 2009 zitierte Obama bei seinem Besuch in der Türkei Kemal Atatürk: „Frieden zu Hause, Frieden in der Welt.“ Die türkische Realität ist davon im Jahr 2016 weit entfernt.

Die USA und EU brauchen uns

Die derzeitigen Entwicklungen in der Türkei haben einen Grund darin, dass der türkische Präsident seinen Handlungsspielraum als sehr groß erachtet. „Ihr braucht uns. Ihr könnt den Kriegin Syriennicht ohne uns gewinnen“, sei die zentrale Botschaft Präsident Erdogans an Politiker in Washington gewesen, berichtet die ZeitschriftForeign Policyvon einem vertraulichen Treffen.

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