Es wurde der Abend, den er so sehr herbeigesehnt hatte. „Wow, wow, wow“, ruft Donald Trump um kurz vor 22 Uhr Ortszeit, als er zusammen mit seiner Frau Melania vor seine Anhänger tritt. Nach dem zweiten Platz in Iowa Anfang des Monats ist der Sieg im kleinen Ostküsten-Bundesstaat New Hampshire Trumps erste gewonnene Wahl überhaupt. Der Milliardär ist erst seit einem guten halben Jahr Politiker, das Weiße Haus hat er trotzdem schon fest im Blick. Als Präsident werde er Amerika „wieder großartig machen“ und jede Menge Arbeitsplätze schaffen, verspricht er gewohnt wortgewaltig und wenig bescheiden in seiner Dankesrede. „Ich werde der größte Job-Präsident werden, den Gott jemals kreiert hat“.
Ähnlich aufgekratzt ist die Stimmung auf der Wahlparty von Bernie Sanders in einer High School in New Hampshires kleiner Hauptstadt Concord. Der Sieg des demokratischen Senators aus dem Nachbarstaat Vermont war bei den Demoskopen erwartet worden, doch die vielen jungen Sanders-Fans feiern ihren Kandidaten trotzdem ausgelassen. „Bernie, Bernie“-Rufe hallen durch den Raum, als der 74 Jahre alte selbst ernannte Sozialist seinen Unterstützern mit heiserer Stimme noch einmal einige zentrale Punkte seines Wahlprogramms zuruft: Krankenversicherung für alle, Abschaffung von Studiengebühren, 15-Dollar-Mindestlohn. Sein Vorwahl-Sieg, so Sanders, sei eine Botschaft, deren Echo von Washington bis zur Wall Street zu hören sein werde: „Die Regierung unseres großartigen Landes gehört allen Menschen. Nicht nur einer Handvoll von Superreichen.“
So unterschiedlich die politischen Ziele von Trump und Sanders sein mögen, beide stehen in ihren jeweiligen Lagern für einen ähnlichen Trend, nämlich die Abkehr der Wähler vom Partei-Establishment. Es gibt offensichtlich immer mehr Demokraten und Republikaner, die genug zu haben scheinen von ihren Eliten und deren Netzwerken in Washington. Die ehemalige Außenministerin und frühere First Lady Hillary Clinton, die in New Hampshire eine herbe Niederlage einstecken musste, bekommt diese Entwicklung in ihrer Partei genauso zu spüren wie Floridas ehemaliger Gouverneur Jeb Bush in seiner. „Die republikanische Partei hat ein sehr, sehr ernstes Problem und Donald Trump ist dabei eher das Symptom als die Ursache“, sagt Andrew Smith, Professor für Politikwissenschaft an der University of New Hampshire.
Trumps derzeit vielleicht größter Trumpf ist, dass das Bewerber-Feld hinter ihm so zersplittert ist. Neben dem Erzkonservativen Ted Cruz finden sich mit John Kasich, Jeb Bush und Marco Rubio dort gleich drei Kandidaten, die zumindest theoretisch alle das Zeug haben, eine immer noch recht große Gruppe gemäßigter Republikaner hinter sich zu versammeln. Solange sie sich gegenseitig die Stimmen wegnehmen, werden sie Trump allerdings kaum stoppen können. Wer aber will zu diesem Zeitpunkt schon freiwillig aus dem Rennen ausscheiden? Es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis sich die Bewerberschar der Republikaner soweit ausgedünnt hat, dass Trump es mit einem echten Rivalen des Partei-Establishments zu tun bekommen wird. Zumindest bis zum ersten „Super Tuesday“ Anfang März, an dem gleich fünfzehn Abstimmungen an einem Tag stattfinden, dürften sich viele Bewerber halten wollen. Auch bei den Demokraten ist frühestens im März mit einer Vorentscheidung zu rechnen.
Ein Mann zumindest dürfte die Vorwahl-Ergebnisse der Demokraten und Republikaner in New Hampshire besonders aufmerksam registriert haben. Michael Bloomberg, ehemaliger Bürgermeister von New York, hatte zuletzt wiederholt angedeutet, als unabhängiger Kandidat ins Rennen ums Weiße Haus einsteigen zu wollen. Sollten sich wirklich Trump und Sanders im Präsidentschaftswahlkampf gegenüberstehen, könnte ein moderater Zwischenkandidat wie Bloomberg durchaus Chancen haben. Bisher hat noch nie ein Unabhängiger eine amerikanische Präsidentenwahl gewonnen – aber im Wahljahr 2016 scheint in Amerika vieles möglich.