Erdogan und Putin :Gemeinsam isoliert

Fur seine erste Auslandsreise seit dem Putschversuch Mitte Juli hat sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan wohl nicht zufällig Russland ausgesucht. Sein russischer Amtskollege Wladimir Putin empfing ihn am Dienstag in St. Petersburg – einer Stadt, die als „Fenster nach Europa“ gegründet worden war. Doch als gemeinsames außenpolitisches Signal der Kooperation mit dem Westen war das Treffen nicht zu verstehen. Die Beziehung sowohl der Türkei als auch Russlands zu Europa ist konfliktgeladen, und die demonstrierte neue Einigkeit der Präsidenten wirkte wie eine Abgrenzung: Die Solidarität zwischen Russland und der Türkei werde helfen, Probleme in der Region zu lösen, versprach Erdogan.

Für Putin ist der Besuch des türkischen Präsidenten ein Prestigeerfolg in einer Zeit, in der ihm die EU und die Vereinigten Staaten wegen des Ukraine-Konflikts die kalte Schulter zeigen. Da der Kreml Erdogan keine Vorhaltungen wegen der Masseninhaftierung vermeintlicher Putschisten macht, war das Verhältnis der beiden Staatschefs entspannt genug, um den Besuch tatsächlich als Neubeginn darzustellen. Erdogan sagte denn auch, ein neues Kapitel der bilateralen Beziehungen werde aufgeschlagen – was zweifellos stimmt, denn die waren zuvor arg zerrüttet.

Erdogan sprach vor dem Besuch in einem Interview gar von seinem „Freund Wladimir“. Der hatte im vergangenen Dezember noch geschäumt, Allah habe „Erdogans Clique“ den Verstand geraubt. Das war kurz nach dem Abschuss eines russischen Kampfflugzeugs durch die Türkei, die angab, das Flugzeug habe bei seinem Syrien-Einsatz den türkischen Luftraum verletzt. Das bis dahin gute bilaterale Verhältnis stürzte in eine Krise. Erst Ende Juni kondolierte Erdogan mit Blick auf den Tod des Piloten postalisch – was der Kreml als die geforderte Entschuldigung interpretierte und die Normalisierung der Beziehungen anbot. Die Türkei leistete einen weiteren Beitrag, indem sie die eigenen Piloten, die das russische Flugzeug abgeschossen hatten, nun als Mitverschwörer des vereitelten Putsches hinstellte und dann erklärte, sie hätten bei dem Abschuss ohne Befehl gehandelt. Erdogan sprach den Zwischenfall in St. Petersburg nicht vor laufenden Kameras an und ging auch nicht auf die russische Forderung nach einer Kompensation ein.

Russland setzt derweilen den im Herbst 2015 begonnen Militäreinsatz in Syrien – trotz gegenteiliger Ankündigungen – fort und stellt Ankara damit vor Probleme. Die militärische Hilfe aus Moskau trägt weiterhin maßgeblich zur Stärkung des syrischen Machthabers Baschar al Assad bei, während die Türkei diesen um jeden Preis loswerden will. Außerdem unterstützt Moskau kurdische Rebellen in Syrien, die zwar gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ kämpfen, aber deren Streben nach einem eigenen kurdischen Staat den Zielen Erdogans entgegenläuft. Wie diese Hürde im gegenseitigen Verhältnis überwunden werden kann, ist unklar. Putin und Erdogan sagten lediglich, die Fragen müssten nun diskutiert werden.

Putin erklärte ferner, er freue sich darauf, mit Erdogan an der Normalisierung der Wirtschaftsbeziehungen zu arbeiten. Moskau hatte zum Jahreswechsel eine Reihe von Wirtschaftssanktionen erlassen, um Ankara für den Abschuss des Kampfflugzeugs zu bestrafen. Und auch wenn der Kreml nach Erdogans „Entschuldigung“ versprach, die Strafen zurückzunehmen, ist bisher wenig passiert. Putin erneuerte nun lediglich das Versprechen, die Handelshemmnisse schrittweise abzubauen.

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