Syrien : Russland kann auf Assad verzichten

„Macht einen Deal mit Assad!“ forderten vor Kurzem zwei russische Außenpolitik-Experten. Und in der Tat, ein Deal mit Assad wäre wunderbar – sofern er denn einen politischen Übergang in Damaskus beinhaltet, wie ihn Russen, Amerikaner und andere vergangenen Dezember in der UN-Resolution 2254 entworfen haben. Denn wie die russischen Kollegen Dmitri Trenin und Andrej Trenin richtig schrieben: „Militärisch kann Damaskus nicht gewinnen“ und „politisch ist in Syrien keine Einigung zu erwarten, solange die Assad-Familie an der Macht ist“.

Angesichts des im Detail dokumentierten Grauens und der Verantwortlichkeit des Regimes kann das Land mit Assad keinen Frieden finden. Es ist deshalb egal, wie viele Monate Amerikaner und Russen dem syrischen Präsidenten geben. Entscheidend ist, was die Syrer denken und fühlen. Und da diese zu Hunderttausenden von Assad vertrieben, verfolgt, verhaftet und zu Tode gefoltert, bombardiert, vergast und ausgehungert werden, kann Assad nicht einfach weitermachen wie zuvor. Genau das ist aber seine Absicht. Regime-Vertreter reisen nach Genf, um Verhandlungsbereitschaft vorzutäuschen, während die Führung in Damaskus keinerlei Macht abzugeben bereit ist, weil sie weiß, dass das ihr Ende wäre.

Was es deshalb braucht, ist nicht etwa westlicher Einfluss auf gemäßigte Oppositionelle, damit diese einen Deal mit Assad aushandeln, wie die beiden russischen Analysten vorschlagen. Nein, es braucht russischen Druck auf Assad, damit dieser geordnet das Feld räumt.

Russland ist unter den Assad-Unterstützern der einzige Akteur, der auf Assad verzichten kann (im Gegensatz zum Iran) und hat sowohl die politische als auch die militärische Macht, diesen zum Rückzug zu zwingen. Wer den Konflikt lösen will, muss folglich Wladimir Putin davon überzeugen, dass ein Machtwechsel in Damaskus den eigenen Interessen am besten dient.

Für Russland nimmt die Terrorgefahr zu

Hier die wichtigsten vier Argumente dafür. Das erste betrifft Syriens Staatlichkeit, die alle – Russen wie Amerikaner, Iraner, Türken und Saudis – erhalten wollen, die aber schon jetzt zerfällt. Tatsächlich lässt sich Syrien als Staat nur ohne Assad retten, der Präsident ist kein Garant, sondern eine Gefahr für Syriens Staatlichkeit. Damit einher geht zweitens der Zustand der syrischen Armee, deren Ineffektivität und mangelnde Moral russische Militärs verzweifeln lassen.

Drittens nimmt die Terrorgefahr für Russland nicht ab, sondern zu, wenn sich in Syrien alle nur auf den „sunnitischen Terrorismus“ konzentrieren. Solange ausländische schiitische Milizen für Assad morden können wie sie wollen, wird sich Syriens sunnitische Bevölkerungsmehrheit weiter radikalisieren. Schließlich hat Putin viertens im Grundsatz erreicht, was er wollte – es ist deshalb Zeit für eine Nachkriegsordnung ohne Assad, aus der sich Moskau getrost zurückziehen kann, weil russische Interessen auch ohne Assad gewahrt bleiben.

Zunächst zum syrischen Staat. Wenn internationale und regionale Akteure vom Erhalt staatlicher Strukturen sprechen, wird daraus meist ein Pro-Assad-Argument. Denn angeblich kann nur das Regime dies zum jetzigen Zeitpunkt gewährleisten. „Wenn Assad stürzt, bricht Anarchie aus, Dschihadisten füllen das Machtvakuum und das Land versinkt im Chaos“, so das Schreckensszenario. Syrien, ein weiterer failed state. Es lohnt sich also, den Zustand des syrischen Staates genauer zu untersuchen um zu verstehen, wie er gerettet werden kann.

Zwei Erkenntnisse drängen sich dabei auf. Erstens dienen staatliche Institutionen in Syrien vor allem dem Machterhalt Assads. Militär, Sicherheitsdienste, Justiz, Partei und Verwaltung sind über Jahrzehnte zu Stützen der Assadschen Herrschaft aufgebaut worden und dienen im aktuellen Konflikt als persönliche Machterhaltungsinstrumente des Präsidenten.

Weder das Militär (wie in Ägypten) noch die Polizei (wie in Tunesien) spielen in Syrien eine unabhängige Rolle, beide sind zu 100 Prozent von Assad vereinnahmt – eine Erklärung dafür, warum dieser sich bis heute an der Macht hält. Der syrische Staat müsste deshalb zunächst von Assads Einfluss befreit werden, um die notwendigen Strukturen entwickeln zu können, die dem syrischen Volk dienen und nicht seinem Unterdrücker.

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