Ein wichtiges Element der Republikaner im Kampf gegen Hillary Clinton ist die E-Mail-Affäre der früheren Außenministerin – und ihre juristische Folgenlosigkeit. In seiner Rede warf Trump nun sogar dem FBI implizit vor, korrupt zu sein. Die Ermittler hatten die E-Mail-Affäre von Clinton untersucht, die teilweise vertrauliche Dienst-Nachrichten auf ihrem privaten Server gespeichert hatte. Das FBI kam zu dem Schluss, dass kein Vorsatz vorgelegen habe und eine Anklage deshalb nicht zu empfehlen sei. Die Republikaner wollen sich damit jedoch nicht zufrieden geben und bringen die Affäre immer wieder gegen Clinton in Stellung. Eine der Hauptforderungen der Delegierten in den vier Tages des Parteikonvents war, Clinton ins Gefängnis zu bringen. So weit, dem FBI Korruption und eine wissentliche Schonung Clintons zu unterstellen, sind sie bislang jedoch nicht gegangen. Das ist eine neue Qualität.
Trump versuchte nicht nur, die Menschen gegen Hillary Clintonaufzubringen, sondern auch die Anhänger von Bernie Sanders für sich zu gewinnen. Das Mitgefühl für Sanders, der in den demokratischen Vorwahlen gegen Hillary Clinton unterlegen war, ist eine Strategie, der sich Trump schon seit einigen Wochen bedient. Er versucht damit, die zumeist jungen Anhänger des selbst ernannten „demokratischen Sozialisten“ auf seine Seite zu ziehen. Er setzt darauf, dass diese Hillary Clinton noch mehr ablehnen als ihn. Mit seiner Wortwahl erreicht Trump jedoch auch noch ein anderes Ziel. Dadurch, dass er das System als kaputt bezeichnet, kann er einige Sanders-Anhänger, die nicht zu ihm überlaufen wollen, dazu bringen, sich vom politischen Prozess abzuwenden und nicht wählen zu gehen. Das würde Clinton wesentlich mehr schaden als ihm. Dass jedoch „Millionen von Demokraten“ zu ihm überlaufen werden, ist reichlich übertrieben.
Ein Thema, das die amerikanische Gesellschaft zur Zeit mehr als alles andere beschäftigt, ist Polizeigewalt gegen Schwarze und Gewalt gegen Polizisten. Donald Trump erkennt in seiner Rede zwar an, dass etwas in der Gesellschaft nicht stimmt, wenn es immer wieder zu tödlichen Auseinandersetzungen mit der Polizei kommt, doch nimmt er ausschließlich die Sichtweise der Beamten ein. Dass sich die schwarze Bevölkerung der Vereinigten Staaten von der Polizei schikaniert und verfolgt fühlt, dass immer wieder Schwarze von weißen Polizisten erschossen werden, erwähnt der New Yorker Immobilienmogul mit keinem Wort. Er ist bei der schwarzen Bevölkerung sowieso schon sehr unbeliebt, dieser Teil seiner Rede wird ihn noch unbeliebter gemacht haben.
Einige Fans dürfte Trump mit seiner Rede jedoch in der Gemeinde der Schwulen und Lesben gewonnen haben. Zum ersten Mal auf einem Nominierungsparteitag der Republikaner wurde die LGBTQ (Lesbisch-schwul-bisexuell-transsexuell-sexuell undefinierte)-Gemeinde erwähnt. Trump versprach, auch sie gegen Gewalt und Kriminalität und erst recht gegen radikalen Islamismus zu schützen. Dass diese Menschen von der gesamten republikanischen Partei, insbesondere vom konservativen-christlichen Flügel, anerkannt werden, ist aber unwahrscheinlich. Der New Yorker Trump hat in dieser Hinsicht eine wesentlich liberalere Einstellung als ein Großteil seiner Partei. Auch ist nicht sicher, ob die Wähler, die sich dieser Gemeinschaft zugehörig fühlen, über die Ablehnung durch diese Parteiflügel hinwegsehen können und Trump als Person wählen.
Ein wichtiger Punkt in Trumps gesamter Kampagne war schon immer die Einwanderung. In seiner Rede erklärte er noch einmal, dass er keine Menschen mehr in die Vereinigten Staaten lassen werde, die aus Ländern stammen, die von Terrorismus „kompromittiert“ wurden. Erst wenn es ein vernünftiges Überprüfungssystem gebe, könne Einwanderung wieder erlaubt werden. Was er mit „kompromittiert“ meint, ließ Trump aber im Unklaren. Im Zweifel könnten darunter auch Frankreich, Deutschland oder Belgien fallen, wo es schon Anschläge radikaler Islamisten gegeben hat. Bemerkenswert an dieser Aussage ist, dass Trump bisher immer nur ein Einwanderungsverbot für Muslime gefordert hat. Nun erstreckt sich dieses plötzlich auf Menschen aller Religionen.
Donald Trump griff in seinem Vortrag seine Kontrahentin Hillary Clinton an vielen Stellen an. Kurz vor Ende seiner Rede behauptete er, Clinton nehme ihren Anhängern einen Schwur ab, nämlich: „Ich bin für sie“. Trump konterkariert diese angebliche Aussage Clintons, die eigentlich ein Slogan in ihrer Wahlkampagne ist, mit dem Versprechen, für die Menschen da zu sein. Für einen Mann, dem immer vorgeworfen wurde, ein grenzenloser Egomane zu sein, ist das eine bemerkenswerte Aussage, die zeigt, dass Trump in seinem Auftreten mittlerweile präsidialer wirken will. Was seine Anhänger, die gerade den Trump lieben, der ohne Konzept lospoltert und seine Konkurrenten beschimpft, zu diesem gezähmten Trump sagen werden, wird sich in den Umfragen nach dem Parteitag der Demokraten zeigen.